Sonntag, 25. August 2019

[Rezension] Steht auf, auch wenn ihr nicht könnt! I Maximilian Dorner


Titel: Steht auf, auch wenn ihr nicht könnt!
Autor: Maximilan Dorner
Verlag: btb
Ausgabe: Softcover
Seiten: 188

Dies ist kein Buch für eine Nacht. Das hat mit dem Gegenstand zu tun, denn es handelt von Behinderungen aller Art. Und viel wichtiger: darum, was wir daraus machen. Zusammengefasst schnurrt es auf zwei Empfehlungen zusammen: Hinschauen und nicht verkrampfen!  (Quelle: Lesejury)
#Selbstauskünfte
"Es folgen Staus und Behinderungen ab drei Kilometern Länge." Die Radiosprecherin nudelt sie runter wie die Nebenwirkungen eines Medikaments. Das ganze Sendegebiet scheint gerade aus nichts anderem zu bestehen. Kein Wunder, dass da niemand vor Begeisterung aufspringt.

So leid es mir tut: Ich habe nicht viel Gutes zu dem Buch zu sagen.
Prinzipiell lässt es sich gut und flüssig lesen. Der Schreibstil ist nicht schlecht, aber für mich persönlich auch nicht so richtig gut. Eher neutral.

Auch wenn das Buch mit 188 Seiten nicht sonderlich lang ist und sich flüssig lesen lässt, habe ich gefühlt ewig dafür gebraucht. Ich habe es leider nur ein kleinen Dosen "ertragen" und kam deswegen eher schleppend voran.
Mir gefällt die Art der Vergleiche nicht, die Herr Dorner so zieht. Außerdem widerspricht er sich selbst ziemlich häufig. Zum Beispiel lehnt er eine Verbrüderung zwischen Behinderten einfach aufgrund der Behinderung strickt ab, hofft aber im Gegenzug dann doch drauf, als er einen Vorteil daraus ziehen könnte. Ebenso will er, dass Behinderte und Nichtbehinderte gleich behandelt werden und denselben Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen, räumt einer Dame im Rollstuhl dann aber Sonderrechte ein, weil sie im Rollstuhl sitzt. Dabei ging es dann nicht darum, dass die Dame dieses Recht benötigte (sonst wäre ich auch absolut dafür), sondern einfach, dass sie einen Mitarbeiter der S-Bahn gepiesackt hat - was absolut unnötig und nicht fair ist. Gedanklich hat Herr Dorner diese Fremde dann auch noch angefeuert und unterstützt. Muss das denn sein? Bewirkt man damit dann nicht eher das Gegenteil? Ein Miteinander funktioniert - meiner Ansicht nach - nur durch gegenseitigen Respekt und eine Situation so auszunutzen und damit zu begründen, dass man eine körperliche Behinderung hat, zeigt den schlechten Charakter. Ein Arsch bleibt ein Arsch, egal ob mit Rollstuhl oder ohne.

Wie oben schon beschrieben, fand ich den Schreibstil weder schlecht, noch wirklich gut.

Ich selbst bin seit über 30 Jahren Co-behindert. Meine Mutter sitzt seit 50 Jahren im Rollstuhl und ich kenne unglaublich viele Situationen, in die ein körperlich behinderter Mensch kommen kann. Auch wenn ich sie nicht am eigenen Leib erlebt habe, bin ich seit meiner Geburt unzählige Male dabei gewesen, wenn andere Menschen gegafft oder blöde Sachen gesagt/gefragt haben, Aufzüge kaputt waren, Treppen am Eingang den Zutritt versperrt haben, Menschen sich im Zuge der Inklusion so politisch korrekt verhalten wollen, dass man sich übergeben möchte,...Ich könnte ewig weiter machen. Ich kenne also diese Situationen, die Herr Dorner in seinem Buch beschreibt. Allerdings gehe ich in den seltensten Fällen d'accord mit ihm.
Machen wir uns nichts vor, eine körperliche Behinderung ist eine ziemliche Kacke. Sagen wir es einfach mal wie es ist. Unfair wird es dann, wenn man nichts dafür kann. Niemand sucht es sich aus, das ist klar, aber wenn ich als Stuntman oder Extremsportler einen Unfall habe und mir dabei was passiert, hätte es eigentlich auch umgangen werden können. Rein Theoretisch. Herr Dorner hat MS (=Multiple Sklerose) - entweder man ist eine arme Sau und bekommt es, oder man hat Glück und bleibt verschont. Es ist zu 0,00% beeinflussbar - was es von dem Stuntman oder dem Extremsportler unterscheidet. Nun kommt zu der körperlichen Belastung auch noch die psychische dazu. Da kann man in Löcher fallen, depressiv werden oder auch einfach mal durchdrehen. Da habe ich absolutes Verständnis für. Wer selbst nicht in so einer Situation ist, darf sich da kein Urteil erlauben. ABER: Anderen Menschen das Leben schwer zu machen und das mit der eigenen Behinderung zu rechtfertigen, ist unfair und respektlos. Wer so behandelt werden will wie jeder andere "gesunde" Mensch, der sollte sich erstmal an die eigene Nase fassen und ehrlich zu sich selbst sein. Ich kann nicht nach Gleichberechtigung schreien, mir und anderen Rollstuhlfahrern dann aber Sonderrechte einräumen, weil wir in so einer Karre sitzen. So funktioniert das einfach nicht.
Ebenso finde ich es erschreckend, wenn sich ein körperlich behinderter Mensch abwertend über geistig Behinderte äußert. Man muss nicht mit jedem Menschen klar kommen und viele Menschen haben eine innerliche Sperre, wenn sie auf geistig Behinderte treffen, aber bevor ich mich als Autor im Rollstuhl negativ über Menschen äußere die 'anders' sind, lasse ich solche Abschnitte doch lieber weg. Jeder kann denken was er will, aber es muss nicht immer alles laut ausgesprochen werden.

Ich hatte mir viel von dem Buch erhofft und bin eigentlich auf ganzer Linie enttäuscht worden. Schade!


1 Stern





Ich danke dem Verlag für dieses Rezensionsexemplar! Dass mir das Buch zur Verfügung gestellt wurde beeinflusst weder meine Meinung, noch meine Bewertung.

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